Gemeinsame Beratung der Teams der Bonhoeffer-Häuser in Friedrichsbrunn und in Berlin

Die beiden Bonhoeffer-Häuser, die Erinnerungs- und Begegnungsstätte in Berlin und das Ferienhaus der Familie in Friedrichsbrunn im Harz, haben viel gemeinsam: „bürgerliche Mündigkeit und Zivilität in Berlin und Freiraum des Lebens in Friedrichsbrunn ergänzen einander“ (Günter Ebbrecht).

Nach dem Besuch des Teams aus Berlin in Friedrichsbrunn im Juni 2018 kam nun am 7. Mai 2022 das Team aus Friedrichsbrunn nach Berlin. Beide Seiten waren froh, sich endlich wieder realpräsent begegnen zu können. In regem Gespräch wurden Erfahrungen mit den Besuchenden und Ideen und Perspektiven für die zukünftige Arbeit ausgetauscht.
In beiden Häusern kommt die Arbeit, die ausschließlich ehrenamtlich geschieht, an ihre Grenzen, zumal neue Herausforderungen, wie die stärkere Einbeziehung digitaler Medien, zu bewältigen sind.

Die Begegnung der beiden Teams ist eine gute Grundlage für das gemeinsame Weiterdenken, wie die Geschichte Dietrich Bonhoeffers und seiner Familie und ihrer Zivilcourage für ganz unterschiedliche Gruppen und Fragestellungen in der Gesellschaft lebendig erhalten werden kann.

Zum 77. Todestag Dietrich Bonhoeffers am 9. April: „Die Wiederherstellung einer echten weltlichen Ordnung unter Gottes Gebot“ – Friedensziele für die Zeit nach dem Ende des NS-Staats.

An Geburtstage zu denken, ist wichtig, besonders von Menschen, die uns viel bedeuten. Noch wichtiger aber scheint mir die Erinnerung an den Todestag zu sein, insbesondere bei Menschen, die ihr Leben im Widerstand verloren haben. Der Geburtstag gehört zu dieser einen Person, der Todestag aber verbindet sie mit all denen, die mit ihr den schweren Weg gegangen sind. Dies gilt besonders auch für die Erinnerung an Dietrich Bonhoeffer und die andern, die verfolgt und die unmittelbar vor dem Ende der Tyrannei ermordet worden sind.

 

In diesen Tagen, in denen der Krieg in der Ukraine mit dem Leiden der Menschen im Land  und im Exil und mit der Bedrohung weiterer Länder in Europa unsere Gedanken besetzt hält, kann es hilfreich sein, an die historischen und politischen Grundlagen der europäischen Friedensordnung, die Putin ein Dorn im Auge ist, zu erinnern. Zu ihren Wurzeln gehören die Entwürfe der ‚Kreisauer‘ und der ‚Freiburger‘. Sie riskierten ihr Leben im Widerstand gegen den nationalsozialistischen Unrechts- und Willkürstaat, als sie mitten im Krieg (1942/43) an den Zielen einer Friedensordnung nach dem Krieg arbeiteten. Leitender Gedanke war die Überwindung der Gefahren des Nationalismus durch eine Verteilung der im Nationalstaat bedrohlich konzentrierten Machtfülle nach unten und nach oben: durch eine infranationale Struktur des Föderalismus mit dem Prinzip der Subsidiarität und eine supranationale Struktur eines souveränen europäischen Staatenbunds. Entscheidend war dabei die Herstellung einer dauerhaften Rechtsordnung nach der Entwaffnung der Tyrannen. Der gegen alle nationalistischen Widerstände zu errichtende Rechtsstaat wurde als die Voraussetzung und Grundlage für die Verantwortung des Einzelnen im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bereich angesehen. Dazu gehörten in der vom Nationalsozialismus befreiten neuen Gesellschaft als oberste Bildungsziele Rechtsstaatlichkeit zum Schutz der persönlichen Entfaltung und der Aufbau demokratischer Strukturen.

 

Auch Dietrich Bonhoeffer hat sich an der Diskussion um die Friedensziele beteiligt. Von einer  Klärung der Friedensbedingungen der Alliierten für den Fall eines möglichen Umsturzes in Deutschland hing für alle, die konspirativ darauf hinarbeiteten, das Gelingen ihrer Planungen ab. Dietrich Bonhoeffer war aufgrund seiner ökumenischen Beziehungen, insbesondere mit Bischof George Bell, dafür prädestiniert, diese Klärung voranzutreiben. In England hatte sich in kirchennahen Kreisen eine Diskussion über die Vorstellungen für ein ‚neues Europa‘ nach dem Krieg entwickelt. Im Juli 1941 hatte William Paton als Sprecher eines Gesprächskreises mit hochrangigen kirchlich, gesellschaftlich und politisch Verantwortlichen einen Friedensentwurf publiziert mit dem Thema „The Church and the New Order“.[1]

Auf einzelne Punkte dieses Entwurfs antwortete Dietrich Bonhoeffer während seiner zweiten Schweizer Reise (28. August – 26. September 1941) zusammen mit Willem A. Visser’t Hooft, dem Generalsekretär des im Aufbau befindlichen Ökumenischen Rats der Kirchen in Genf. Als eine „hochpolitische Buchbesprechung“ bezeichnet Eberhard Bethge[2]  dieses Memorandum aus Genf. Bei den Ausführungen zu Patons 4. Kapitel („The ideal and the next steps“) konkretisiert Dietrich Bonhoeffer in seinem Entwurf die Friedensziele:

 

„Es kommt darauf an, ob in Deutschland eine staatliche Ordnung verwirklicht wird, die sich den Geboten Gottes verantwortlich weiß. Das wird sichtbar werden an der restlosen Beseitigung des NS-Systems einschließlich und speziell der Gestapo, an der Wiederherstellung der Hoheit des gleichen Rechtes für alle, an einer Presse, die der Wahrheit dient, an der Wiederherstellung der Freiheit der Kirche, das Wort Gottes in Gebot und Evangelium aller Welt zu predigen.“[3]

 

Bonhoeffer widerspricht einer „Aufteilung des Wirklichkeitsganzen in einen sakralen und einen profanen“ Bezirk (Ethik, DBW 6, S.42) und fordert damit das historisch in der Aufklärung begründete säkulare Weltverständnis heraus. Auch die ‚Kreisauer‘ und die ‚Freiburger‘ formulieren einen Gottesbezug in ihren Vorstellungen für eine Friedensordnung. Bonhoeffer sucht allerdings die Grundlage der Rechtsordnung explizit nicht im Ideal des Persönlichkeitsrechts des Individuums oder der Menschenrechte, sondern in Gottes Geboten zum Schutz des Andern, der in Gottes Andersheit (1. Gebot) und im göttlichen Gewaltmonopol verbürgt ist und in Christus als dem ‚Menschen für Andere‘ erfahren werden kann. „Wer sich zu der Wirklichkeit Jesu Christi als der Offenbarung Gottes bekennt, der bekennt sich im selben Atemzug zu der Wirklichkeit Gottes und zu der Wirklichkeit der Welt; denn er findet in Christus Gott und die Welt versöhnt.“[4]

 

Was bedeutet heute dieses christliche Bekenntnis im interreligiösen Dialog angesichts der religiös-kulturellen Pluralität für die Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit in Europa? Auf welchem normativen Fundament kann das „gemeinsame Haus Europa“ in stürmischen Zeiten bestehen und auch den imperialen kriegerischen Angriffen der „Russki Mir“[5] („Russische Welt“) standhalten? Sicher nicht nur durch die Demonstration militärischer Stärke nach außen, sondern grundlegend durch die innere Stärkung des Zivil-, Staats- und Völkerrechts. Wenn die Würde ‚des Anderen‘ geachtet, geschützt und deren Verletzungen durch Aggression, Hass, Missachtung und Ausschluss auch sanktioniert werden soll, ist Offenheit, Lernwilligkeit und Dialogbereitschaft der Weg der Empathie und Solidarität in der unversöhnten Welt,   zusammengefasst im Liebesgebot. Die Verwirklichung dieses Gebots Gottes, das seine versöhnende Kraft in Christi Wort und Tat erweist, erfuhr Dietrich Bonhoeffer in der Ökumene, in der „universalen christlichen Bruderschaft, die sich über alle nationalen Hassgefühle erhebt“[6].

 

Gottfried Brezger, Pfarrer i.R., Vorsitzender des Vorstands

Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus e.V., Berlin

 

Literaturhinweis:

Die Botschaft eines Zeugen.

Ein Dokument des Widerstands und der Ökumene:

Dietrich Bonhoeffer und W.A. Visser’t Hooft antworten auf William Patons Friedensentwurf („The Church and the New Order“, July 1941)

Gottfried Brezger: Jahrbuch für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte. Jahrgang 73/2021, S.230-262.

 

„Die Wiederherstellung einer echten weltlichen Ordnung unter Gottes Gebot“ – Friedensziele für die Zeit nach dem Ende des NS-Staats: Dietrich Bonhoeffer: Gedanken zu William Patons Schrift „The Church and the New Order in Europe“, in: Das Zeugnis eines Boten, S. 10, Neuauflage in der Sonderausgabe 2020 des Bonhoeffer-Rundbriefes, ibg, Dezember 2020, mit einem Vorwort von Christian Löhr und einem Grußwort von Joan Sauca, eingeleitet von Gernot Gerlach und Hartmut Rosenau, S. 29 f.

Dietrich Bonhoeffer Werke, Band 16: Konspiration und Haft. 1940-1945. Herausgegeben von Jørgen Glenthøj, Ulrich Kabitz und Wolf Krötke. (DBW 16), München 1996, 540.

[1] William Paton: The Church and the New Order, Gateshead on Tyne, July 1941

[2] Eberhard Bethge: Dietrich Bonhoeffer. Eine Biographie, München 1970, S. 829-833.

[3] S. Fußnote 1.

[4] Dietrich Bonhoeffer, Ethik, DBW 6.47f.

[5] Aufhorchen lässt heute die Formulierung in Bonhoeffers Entwurf der Antwort auf Paton in der Erwartung des Siegs der Alliierten über das nationalsozialistische Deutschland: „Nicht der Pangermanismus, sondern der Panslawismus ist die kommende Gefahr“. Im gemeinsam mit Visser’t Hooft verfassten Memorandum steht dazu: „Selbst wenn wir das britisch-russische Bündnis als zu rechtfertigende und unvermeidliche politische Entscheidung betrachten können, dürfen wir die Gefahr nicht bagatellisieren, die Russland für alles, was uns wert ist, darstellt.“ (DBW 16, S. 549 / S. 807, Übersetzung)

[6] Dietrich Bonhoeffers letzte Worte, eine Botschaft an Bischof George Bell, DBW 16, S.468.

 

Besuch aus Brüssel

Katharina von Schnurbein, seit 2015 die erste Antisemitismusbeauftragte der Europäischen Kommission in Brüssel, hat anlässlich ihrer Mitwirkung beim Gedenkforum zum 80. Jahrestag der Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 das Bonhoeffer-Haus besucht.

Wir haben uns gefreut über den regen Austausch der Gedanken über die aktuelle Bedeutung des Denkens und Handelns Dietrich Bonhoeffers in der Auseinandersetzung mit Antisemitismus. „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen“ hat sie in unser Gästebuch geschrieben. Frau von Schnurbein ist sehr gut informiert über die Geschichte und Bedeutung Dietrich Bonhoeffers, nicht zuletzt durch die Begegnung mit Laura M Fabrycky in Brüssel und die Lektüre ihres Buchs ‚Schlüssel zu Bonhoeffers Haus‘. Sie zeigte sich erfreut über das ehrenamtliche Engagement im Haus und machte uns aufmerksam auf Förderprogramme der Europäischen Kommission unter den Aspekten Citizens, Equality, Rights and Values (CERV).

Katharina von Schnurbein am 19. Januar 2022 vor der 1. Tafel der Ausstellung im Bonhoeffer-Haus: Berliner Orte mit einem Bezug zu Dietrich Bonhoeffer.

Wir haben ihre Anregung aufgenommen und sind dabei zu prüfen, ob die Ausschreibungsbedingungen eines der verschiedenen Programme passen könnten zu unserer vordringlichen Zielsetzung: Ergänzung der Besuche im Haus durch Digitalisierung der weltweiten Erinnerung und Begegnung mit dem Widerstand Dietrich Bonhoeffers im Kontext seiner Familie.

Gottfried Brezger

„Schlüssel zu Bonhoeffers Haus“ – Zoom-Gespräch mit der Autorin Laura M. Fabrycky in Washington D.C. / USA

Zoom-Gespräch mit der Autorin Laura M. Fabrycky in Washington D.C. / USA am 4. Februar, 18 Uhr, zum 116. Geburtstag von Dietrich Bonhoeffer.

Laura M. Fabrycky war von 2016-2018 Mitglied des Begleit-Teams in der Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus, Marienburger Allee 43 in Berlin.

Wir laden ein zum digitalen Live-Gespräch (in Englisch) und Auszügen aus ihrem Buch (in Deutsch) und bitten um Anmeldung unter brezger@bonhoeffer-haus-berlin.de

„Wie ich Welt und Weg Dietrich Bonhoeffers entdeckte“ („Exploring the world and wisdom of Dietrich Bonhoeffer“) ist der Untertitel des Buchs. Der ihr überlassene Schlüssel zum Haus wird für Laura zum Auftrag, auch anderen Menschen einen Schlüssel in die Hand zu geben, um ihre eigenen Fragen und Erfahrungen mit dem Leben und Denken Dietrich Bonhoeffers in Verbindung zu bringen: „Wenn auch kein einziger Aspekt meines Lebens dem Bonhoeffers glich, war das Bonhoeffer-Haus doch Zeugnis menschlicher Erfahrungen, die ich aus meinem eigenen Alltag kannte“ (32). Das 2021 im Gütersloher Verlag erschienene Buch, mit einer kurzen Chronologie zum Leben Dietrich Bonhoeffers und ausführlichen Anmerkungen versehen, ist keine Biographie; es ist die Erzählung von persönlichen Erfahrungen. Laura betont einzelne Aspekte im Leben und Denken Bonhoeffers und nimmt uns mit auf ihren Weg mit ihm.

Literaturhinweis – Laura M. Fabrycky

Laura M. Fabrycky, US-Amerikanerin, hat während der Dienstzeit ihres Manns in der US-Botschaft in Berlin mit Ihrer Familie in dieser Stadt gelebt und hat sich mit diesem Land vertraut gemacht. Im Bonhoeffer-Haus, diesem ganz besonderen historischen Lernort, hat sie sich auf Spurensuche begeben. Als Mitglied des Teams im Bonhoeffer-Hauses hat sie zwei Jahre lang Besuchende in englischer Sprache durch das Haus der Familie Bonhoeffer  begleitet. Sie kam von außen und berichtet von innen. Das Buch ist eine Erkundungsreise, die beim Lesen interessante Zugänge zum Leben und Werk Dietrich Bonhoeffers in seinem historischen Kontext und in seiner aktuellen Bedeutung erschließt.

 

Laura M. Fabrycky

Schlüssel zu Bonhoeffers Haus

Wie ich Welt und Weg Dietrich Bonhoeffers entdeckte

Gütersloher Verlagshaus / Penguinrandomhouse, Gütersloh/München, 2021

https://www.penguinrandomhouse.de/Buch/Schluessel-zu-Bonhoeffers-Haus/Laura-M-Fabrycky/Guetersloher-Verlagshaus/e579707.rhd

https://laurafabrycky.com/

Video-Präsentation einer Führung

Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus e.V.
Marienburger Allee 43
14055 Berlin
Gottfried Brezger, Pfarrer i.R.
Vorsitzender

1. Ich stehe hier vor dem Haus der Familie Bonhoeffer. Karl Bonhoeffer, einer der bekanntesten Psychiater und Neurologen seiner Zeit, und seine Frau Paula haben sich dieses Haus als Alterssitz bauen lassen. Als sie 1935 einzogen, war Karl 68 Jahre alt, doch er praktizierte noch weiter. Das geschah im Erdgeschoss, wo er auch seine Bibliothek hatte. Dietrich Bonhoeffer und seine sieben Geschwister sind nicht hier aufgewachsen, sondern in einer alten Villa im Bezirk Grunewald. Dietrich, der einzige noch nicht Verheiratete in der Familie, war 29 Jahre, als er mit seinen Eltern in das neue Haus einzog. Unter dem Dach, wo die beiden Fenster sind, hatte er sein Studierzimmer.

2. In seinem Elternhaus schrieb Dietrich Bonhoeffer an seiner ‚Ethik‘ und traf sich mit Gegnern des Nationalsozialismus. In der Stadt der „Topographie des Terrors“ war dieses Haus eine „Topographie des Widerstands“. Am 5. April 1943 wurde Dietrich Bonhoeffer hier verhaftet. Wir gehen nun durch das Gartentor zum Eingang des Hauses.

3. Karl und Paula Bonhoeffer haben zwei Söhne und zwei Schwiegersöhne im Widerstand verloren: Klaus und Dietrich, Rüdiger Schleicher, verheiratet mit Ursula Bonhoeffer, der mit seiner Familie im Nebenhaus wohnte, und Hans von Dohnanyi, verheiratet mit Christine Bonhoeffer. An sie erinnert die Gedenktafel am Eingang des Hauses.

4. Nach dem Tod der Eltern Karl 1948 und Paula 1951 hat die Familie das Haus an die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg verkauft. Das Haus wurde zum Zentrum der Gemeinde der Studierenden an den Hochschulen im Westen der Stadt. Eberhard Bethge, Dietrichs Freund und Biograph, zog als der erste Studentenpfarrer mit seiner Familie ein. Renate Bethge, geborene Schleicher, eine Nichte Dietrich Bonhoeffers, war im Nachbarhaus aufgewachsen. Später wurde das Haus ein Studentenwohnheim im kirchlichen Besitz und dabei blieb es 30 Jahre lang. Eine ganze Generation lang war die Erinnerung an den Widerstand – auch gesellschaftlich – in den Hintergrund gedrängt. 1987 war es dann so weit, dass in diesem Haus der Kirche die „Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus“ eröffnet wurde, nicht als ein Museum, sondern als ein historischer Lernort, der an außergewöhnliche Männer und Frauen erinnert. Die Ausstellung im Erdgeschoss zum Leben Dietrich Bonhoeffers und sein restauriertes Studierzimmer helfen bei der Spurensuche.

5. Besuchende von nah und fern kommen hierher. Dietrich Bonhoeffer ist weltweit bekannt als Pfarrer und theologischer Lehrer der ‚Bekennenden Kirche‘, ökumenischer Mahner zum Frieden und Autor bewegender Briefe und Gedichte aus dem Gefängnis. „Beten und das Gerechte tun und auf Gottes Zeit warten“ bedeutete für ihn, im Glauben den Weg des politischen Widerstands zu gehen bis in den Tod. Sein Denken und Handeln fordert auch uns heute in konkreten kirchlichen, ethischen und politischen Konflikten heraus zu der in Christus begründeten Verantwortung für den Andern in der ‚mündigen Welt‘.

6. Mein Name ist Gottfried Brezger. Ich war 32 Jahre lang Gemeindepfarrer in Berlin und bin nun schon einige Jahre im Ruhestand. Seit 1998 leite ich die Arbeit in diesem Haus. Wir sind ein Team von z. Zt. sechs Ehrenamtlichen, die Einzelne und Gruppen zur Information und zum Gespräch einladen und durch das Haus führen.

7. Ihre Anfrage bzw. Anmeldung erbitten wir auf unserer Website:
https://www.bonhoeffer-haus-berlin.de
Regelmäßig haben wir geöffnet am Samstag von 10-12 Uhr. Zusätzlich können Besuchstermine in der Woche vereinbart werden.

Herzlich willkommen!

Dr. Wojciech Szczerba, Dr. Marek Kucharski und Dr. Piotr Lorek zu Gast im Bonhoeffer Haus Berlin

Bonhoeffer-Haus, 26. Mai 2021. Dr. Wojciech Szczerba, Dr. Marek Kucharski und Dr. Piotr Lorek, Professoren der „Evangelical School of Theology“, EWST, Wroclaw, beim Gespräch mit den Mitgliedern der Begleitgruppe im Bonhoeffer-Haus Martina Dethloff, Ingrid Portmann, Gottfried Brezger (Foto).

 

Die Besucher aus Wroclaw sind nach Berlin gekommen, um im Rahmen des ERASMUS-Programms Kooperationsmöglichkeiten mit der Evangelischen Akademie zu Berlin und auch mit dem Bonhoeffer-Haus zu erkunden. Dabei knüpfen sie an die Begegnung mit Mitgliedern der Begleitgruppe des Bonhoeffer- Hauses bei deren Studienreise nach Wroclaw vom 26.-29. September 2019 an.

 

Die EWST Breslau ist eine international vernetzte (z. B. mit der methodistischen Duke University in North Carolina / USA) Interkonfessionelle, Interreligiöse (Interfaith) Theologische Hochschule, mit besonderen Bezügen zur Lutherischen, Römisch-Katholischen und zu Pentecostalen Kirchen. Sie ist offen für die Herausforderungen für Theologie, Kirche und Leben im säkularen Kontext in der gegenseitigen Achtung anderer Überzeugungen.

 

Aktuelle Anknüpfungspunkte an Dietrich Bonhoeffers Leben und Werk in Polen:

  • Umgang der Kirche mit ihrer Schuld: Verwicklung in staatliche Machtstrukturen im kommunistischen Staat (Kollaboration) und die Politik der PIS-Partei

(Dietrich Bonhoeffer, Ethik-Manuskript „Schuld, Rechtfertigung, Erneuerung“)

  • Kirchliches Versagen gegenüber sexuellen Missbrauchsvorwürfen
  • Verschärfung des Gegensatzes zwischen einer reichen Kirche und Armut in der Bevölkerung in Polen
  • Säkularisierungsschub und Verlust kirchlicher Bindungen, insbesondere bei Jüngeren

Gedenken zum 76. Todestag Bonhoeffers

Gedenktafel Flossenbürg
Gedenktafel Flossenbürg

Am 9. April 1945 wurden Hans von Dohnanyi in Sachsenhausen und Dietrich Bonhoeffer mit den Mitverschwörern aus dem Oberkommando der Wehrmacht in Flossenbürg ermordet.

Leider können wir auch an diesem Tag, wie schon im vergangenen Jahr, wegen der Pandemie das Bonhoeffer-Haus nicht für Besuche öffnen.

Mit den Gedanken von Dietrich Bonhoeffer können wir aber im Gedenken an ihn und die andern, die ihr Leben für das „Weiterleben einer kommenden Generation“ eingesetzt haben, verbunden bleiben.

Einige Glaubenssätze über das Walten Gottes in der Geschichte

Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.

Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen.   Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.

Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten, Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.

Dietrich Bonhoeffer, Rechenschaft an der Wende zum Jahr 1943 – Nach zehn Jahren (für Eberhard Bethge, Hans v. Dohnanyi und Hans Oster), in: Widerstand und Ergebung, Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, Dietrich Bonhoeffer Werke, Band 8, 30f., Christian Kaiser / Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1998

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Gottfried Brezger, Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus

Todesanzeige mit Würdigung des Pfarrerehepaars Löhr

Mein Wort wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun,
was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.
Jesaja 55,11, Losung am Unglückstag, 2. Februar 2021
Wir trauern um
Mechthild, Pfarrerin i.R. und Dr. Christian Löhr, Pfarrer i.R.
Stellvertretender Vorsitzender im Vorstand der Internationalen
Bonhoeffer-Gesellschaft. Deutschsprachige Sektion
und Vorstands-Mitglied im Bonhoeffer-Haus
Christian Löhr hat, vertraut mit dem Leben und Gedanken Dietrich Bonhoeffers,
mit wachem Geist und klarem Wort der Freiheit durch Gottes Wort Raum gegeben.
Prof. Dr. Rosenau, Kiel, Vorsitzender,
Internationale Bonhoeffer-Gesellschaft. Deutschsprachige Sektion
Gottfried Brezger, Pfr. i.R. und Dr. Tobias Korenke, Vorsitzende,
Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus,
Marienburger Allee 43, 14055 Berlin

Voller Dankbarkeit schauen wir zurück auf die vielen Jahre, in denen wir mit Dr. Christian Löhr in gegenseitigem Vertrauen und Hochachtung im Kuratorium und im Vorstand des Bonhoeffer-Hauses zusammenwirken konnten. In derselben Treue, in der er die Aufgaben im Vorstand der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft. Deutschsprachige Sektion und die mit immenser Arbeit verbundene Verantwortung für die Herausgabe des Bonhoeffer-Rundbriefs übernommen hat, engagierte er sich auch für die Arbeit im Bonhoeffer-Haus. Bei den Beratungen war auf ihn Verlass: er war immer da und hat den Weg von Brandenburg aus nicht gescheut. Zu Veranstaltungen im Haus sind Christian und Mechthild Löhr miteinander gekommen, zuletzt am 9. November 2020 zum Gedenkweg in der Nachbarschaft des Bonhoeffer-Hauses.

In aller Bescheidenheit hat Christian Löhr in den Vorstandssitzungen Protokoll geführt. Menschlich und theologisch waren wir in großer Offenheit und Klarheit miteinander verbunden. Wir haben ihn erlebt als glaubwürdigen, geschichtsbewussten und sprachmächtigen Vertreter von Christen in der DDR mit aufrechtem Gang, intensiv und bis ins kleinste Detail kundig und verbunden mit Bonhoeffers Gedanken, und zugleich frei zur kritischen Wahrnehmung der Gegenwart. Seine geistesgegenwärtigen Predigten, Briefe und Betrachtungen aus dem „Schwellenjahr 1990“, die er Weihnachten 2019 im Eigenverlag zusammengestellt hat, hat er unter die Überschrift gestellt: „In jedem Ende steckt ein neuer Anfang.“

Die Frage nach dem „neuen Anfang“ bleibt für unser Verstehen und Begreifen offen, für Gott nicht, wie wir glauben und worauf wir hoffen und vertrauen können.
So gewiss, wie „Gott bei uns“ ist „am Abend und am Morgen“
und „an jedem neuen Tag“ –
so gewiss werden wir bei Gott sein an seinem jüngsten Tag.
Gottfried Brezger

Christian Löhr
In jedem Ende steckt ein neuer Anfang.
1990

Vorbemerkung, Brandenburg im Dezember 2019

In der jüngsten deutschen Geschichte ist das Jahr 1990 ein Schwellenjahr. Die DDR war in den Ereignissen vom Herbst 1989 endgültig untergegangen Im Herbst 1990 wurde die Vereinigung der beiden Nachkriegsdeutschlands in Form des Beitritts der ehemaligen DDR zur BRD und ihrem Grundgesetz vollzogen. Für einen geschichtlich kurzen Moment von einem halben Jahr schien zumindest für die Bürgerinnen und Bürger auf dem Gebiet der DDR die Zukunft völlig offen …

Die Veröffentlichung dieser Texte heute nach 30 Jahren möchte daran erinnern, mit welchen Befürchtungen und Hoffnungen sich Menschen damals auf den Weg in eine ungewisse Zukunft machten, was sich davon erfüllt hat und was uns als bleibende Aufgabe und Ziel nach wie vor aufgegeben ist.

Vor uns ein neuer Weg
Silvester 1989, Mitternachtsandacht zum Jahreswechsel 1989/90
Vorspruch

Am Ende dieses Jahres gedenke ich der Taten des HERRn
und sinne nach über alle seine Werke:
Heilig, o HERR, ist Dein Weg!
Wo ist einer wie unser VATER IM HIMMEL,
hoch erhaben über alle und zugleich uns so nahe,
dass er sich kümmert um unser Geschick?
Er hat uns befreit mit seinem mächtigen Arm.
Wir gingen alle in die Irre.
Nacht hatte sich auf uns gesenkt.
Angst drohte uns zu ersticken.
Mit dem Mut der Verzweiflung stimmten unter uns einige den Ruf an,
der uns in die Freiheit führen sollte: „Wir sind das Volk!“
Es wurde ein mächtiger Ruf, weil immer mehr einstimmten,
und damit sich und uns Mut zuriefen, sodass selbst die Münder derer
sich öffneten, die über Jahrzehnte hin geschwiegen hatten.
Ein mächtiger Ruf – und doch ein armes Wort.
Was vermochte es anderes,
als die angemaßte Macht der Herrschenden zu stoppen,
die Macht derer, die wir durch unser Schweigen ermutigt hatten?!
Dabei hätten wir das doch wissen müssen,
wir, die durch das Wort nun zum Leben Befreiten.
Mussten wir wirklich erst durch den Mut der Verzweiflung darauf stoßen,
dass das Wort unseres VATERs IM HIMMEL mächtig ist?
Das jedenfalls ist unsere Schuld am Ende des Jahres:
Weil wir, o HERR, Deinem Wort misstrauten, weil wir anderes für wichtiger hielten, entbehrten wir solange der Freiheit.
Da mussten wir alle in die Irre gehen.
Nun kam die Freiheit über uns durch Dein Wort.
Ja, wir haben gerufen.
Du aber hast dem Worte Macht gegeben,
die Macht des Friedens, die die Gewalt der Herrschenden überwand.
So fiel sie uns zu – die Freiheit.
Noch haben wir den Zufall nicht wirklich begriffen,
aber schon denken wir:
Freiheit – das ist unser Recht, unser Verdienst.
Von anderen wurde sie uns vorenthalten, von denen,
denen nun unser Zorn gilt. Die haben die Freiheit missbraucht.
Nun muss sie ihnen genommen werden und wir müssen sie haben –
die Freiheit.
So gehen wir schon wieder in die Irre.
Ein jeder sieht nur auf seinen Weg, denkt nur an seine Freiheit.
Vergessen ist, dass wir sie uns selbst vorenthalten haben.
Vergessen ist unsere Schuld und dass sie uns zufiel – die Freiheit,
ein Zufall für die meisten unverdient.
Vergessen ist, dass wir uns der Freiheit würdig erweisen müssen,
nachdem wir der Freiheit gewürdigt wurden – aus Gnade,
nachdem uns die Freiheit noch einmal geschenkt wurde.
Am Ende dieses Jahres gedenke ich der Taten des HERRn
und sinne nach über all‘ Deine Werke:
Heilig, o HERR, ist Dein Weg.

Trauerfeier für Mechthild und Christian Löhr
am 4. März, 15 Uhr
in der St. Gotthardt-Kirche in Brandenburg

Zum 115. Geburtstag Dietrich Bonhoeffers am 4. Februar 2021

Jahreslosung 2021: Lukas 6,36
„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“

Liebe Mitglieder, Freundinnen und Freunde des Bonhoeffer-Hauses,

zum 115. Geburtstag Dietrich Bonhoeffers grüße ich Sie mit Bezug zur Jahreslosung 2021 mit Worten aus seinem Ethik-Manuskript „Christus, die Wirklichkeit und das Gute“ (DBW 6, S. 52):

„Dass Gott die Welt in Christus geliebt und mit sich versöhnt hat,
ist die zentrale Verkündigung des Neuen Testaments.
In ihr ist vorausgesetzt, dass die Welt der Versöhnung mit Gott
bedürftig, doch von sich aus nicht fähig ist.
Die Annahme der Welt ist ein Wunder der göttlichen Barmherzigkeit.
Darum ist das Verhältnis der Gemeinde zur Welt ganz und gar bestimmt
durch das Verhältnis Gottes zur Welt.“

Für dieses Wort habe ich mich bei meiner Suche quer durch Bonhoeffers Werk zum Stichwort „Barmherzigkeit“, das uns mit der Jahreslosung durch das Jahr 2021 begleitet, entschieden,

  • weil es die göttliche Barmherzigkeit ins Zentrum der biblischen Verkündigung stellt (sie gehört m. E. auch im ‚Alten‘ Testament zur ‚zentralen Verkündigung‘),
  • weil es Gottes Barmherzigkeit nicht nur in der Zuwendung zu mir, sondern zur Welt erfasst,
  • und weil es die Konjunktion „wie“ in der Jahreslosung auslegt in der Bestimmung des Verhältnisses der Gemeinde zur Welt durch das Verhältnis Gottes zur Welt.

Herzliche Grüße
Gottfried Brezger