Matinée im Bonhoeffer-Haus am Samstag, 22. April 2023, 11-13 Uhr

Vor achtzig Jahren, am 5. April 1943, wurden Dietrich Bonhoeffer und sein Schwager Hans von Dohnanyi mit seiner Frau Christine verhaftet. Damit begann für Dietrich und Hans die über zweijährige Haftzeit bis zu ihrer Ermordung am 9. April 1945.

Grund der Verhaftungen am 5. April 1943 war nicht die Beteiligung der Verhafteten an Vorbereitungen zum Putsch, die bereits zu Anschlägen geführt hatten, die fehlschlugen.

Diese Planungen konnten bis zum Anschlag am 20. Juli 1944 geheim gehalten werden.

Die Ermittlungen im Reichskriegsgericht und bei der Gestapo richteten sich gegen die Rettungsaktion von Juden, die von den Verhafteten zusätzlich zur Putschplanung unter dem Codewort „Unternehmen 7“ ausgeführt worden war.

Über diese historisch komplexen und dramatischen Zusammenhänge berichtet der Historiker und Publizist Dr. Winfried Meyer in einer Matinée in der Erinnerungs- und Begegnungsstäte Bonhoeffer-Haus am Samstag, 22. April, 11-13 Uhr. Thema: Hans von Dohnanyi: Putschplanung und Rettungsaktion für Juden („Unternehmen Sieben“).

Besuch aus Polen

Am 8. Juni 2022 besuchten uns, wie schon im Vorjahr, drei Professoren der Evangelical School of Theology, EWST, Wroclaw. Dr. Wojciech Szczerba, Dr. Marek Kucharski und. Dr. Piotr Lorek kamen nach Berlin, um im Rahmen des ERASMUS-Programms die Kooperation mit der Evangelischen Akademie zu Berlin und auch mit dem Bonhoeffer-Haus zu verstärken. Die Begleitgruppe des Bonhoeffer-Hauses war dabei durch Martina Dethloff, Viking Dietrich, Kurt Kreibohm, Ingrid Portmann und Gottfried Brezger vertreten.

Die Gäste aus Wroclaw berichteten lebendig und konkret über die vielfältigen Anstrengungen in ihrer Hochschule und in der Gesellschaft, den Geflüchteten aus der Ukraine nicht nur Unterkunft zu geben, sondern auch eine Perspektive in ihrer labilen Lebenssituation. Allein in der Jugendbegegnungsstätte Kreisau haben ca. 100 Geflüchtete Zuflucht und Lernmöglichkeiten gefunden.

Ein wichtiger Gesprächspunkt war die Beratung über ein Projekt, bei dem das Bonhoeffer-Haus partnerschaftlich mit der EWST verbunden ist. Im März 2022 wurde gemeinsam ein Antrag bei der EU-Kommission gestellt, über den noch nicht entschieden ist.
Der Titel des Projekts ist:
Bonhoeffer-Haus: „Wer hält stand?“
Zivilcourage lernen mit der Familie Bonhoeffer.

Das Projekt verfolgt das Ziel, im Haus die Ausstellung von 1987 zum Leben und Werk Dietrich Bonhoeffers zu ergänzen, thematisch, indem die Beteiligung der Frauen in der Familie Bonhoeffer am Widerstand in den Blick gerückt wird, und medial, indem mit digitalen Mitteln der lokale Zugang am Ort und der globale Zugang weltweit ermöglicht wird.
Das Denken und Handeln Dietrich Bonhoeffers, begründet in den Beziehungen in der Familie, den Erfahrungen in der Ökumene und seinem Handeln aus dem Glauben heraus fordert auch heute heraus zur Zivilcourage. Die deutsch-polnische Partnerschaft öffnet den Blick für das gemeinsame Lernen und Handeln in unterschiedlichen Kontexten.

Gemeinsame Beratung der Teams der Bonhoeffer-Häuser in Friedrichsbrunn und in Berlin

Die beiden Bonhoeffer-Häuser, die Erinnerungs- und Begegnungsstätte in Berlin und das Ferienhaus der Familie in Friedrichsbrunn im Harz, haben viel gemeinsam: „bürgerliche Mündigkeit und Zivilität in Berlin und Freiraum des Lebens in Friedrichsbrunn ergänzen einander“ (Günter Ebbrecht).

Nach dem Besuch des Teams aus Berlin in Friedrichsbrunn im Juni 2018 kam nun am 7. Mai 2022 das Team aus Friedrichsbrunn nach Berlin. Beide Seiten waren froh, sich endlich wieder realpräsent begegnen zu können. In regem Gespräch wurden Erfahrungen mit den Besuchenden und Ideen und Perspektiven für die zukünftige Arbeit ausgetauscht.
In beiden Häusern kommt die Arbeit, die ausschließlich ehrenamtlich geschieht, an ihre Grenzen, zumal neue Herausforderungen, wie die stärkere Einbeziehung digitaler Medien, zu bewältigen sind.

Die Begegnung der beiden Teams ist eine gute Grundlage für das gemeinsame Weiterdenken, wie die Geschichte Dietrich Bonhoeffers und seiner Familie und ihrer Zivilcourage für ganz unterschiedliche Gruppen und Fragestellungen in der Gesellschaft lebendig erhalten werden kann.

Zum 77. Todestag Dietrich Bonhoeffers am 9. April: „Die Wiederherstellung einer echten weltlichen Ordnung unter Gottes Gebot“ – Friedensziele für die Zeit nach dem Ende des NS-Staats.

An Geburtstage zu denken, ist wichtig, besonders von Menschen, die uns viel bedeuten. Noch wichtiger aber scheint mir die Erinnerung an den Todestag zu sein, insbesondere bei Menschen, die ihr Leben im Widerstand verloren haben. Der Geburtstag gehört zu dieser einen Person, der Todestag aber verbindet sie mit all denen, die mit ihr den schweren Weg gegangen sind. Dies gilt besonders auch für die Erinnerung an Dietrich Bonhoeffer und die andern, die verfolgt und die unmittelbar vor dem Ende der Tyrannei ermordet worden sind.

 

In diesen Tagen, in denen der Krieg in der Ukraine mit dem Leiden der Menschen im Land  und im Exil und mit der Bedrohung weiterer Länder in Europa unsere Gedanken besetzt hält, kann es hilfreich sein, an die historischen und politischen Grundlagen der europäischen Friedensordnung, die Putin ein Dorn im Auge ist, zu erinnern. Zu ihren Wurzeln gehören die Entwürfe der ‚Kreisauer‘ und der ‚Freiburger‘. Sie riskierten ihr Leben im Widerstand gegen den nationalsozialistischen Unrechts- und Willkürstaat, als sie mitten im Krieg (1942/43) an den Zielen einer Friedensordnung nach dem Krieg arbeiteten. Leitender Gedanke war die Überwindung der Gefahren des Nationalismus durch eine Verteilung der im Nationalstaat bedrohlich konzentrierten Machtfülle nach unten und nach oben: durch eine infranationale Struktur des Föderalismus mit dem Prinzip der Subsidiarität und eine supranationale Struktur eines souveränen europäischen Staatenbunds. Entscheidend war dabei die Herstellung einer dauerhaften Rechtsordnung nach der Entwaffnung der Tyrannen. Der gegen alle nationalistischen Widerstände zu errichtende Rechtsstaat wurde als die Voraussetzung und Grundlage für die Verantwortung des Einzelnen im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bereich angesehen. Dazu gehörten in der vom Nationalsozialismus befreiten neuen Gesellschaft als oberste Bildungsziele Rechtsstaatlichkeit zum Schutz der persönlichen Entfaltung und der Aufbau demokratischer Strukturen.

 

Auch Dietrich Bonhoeffer hat sich an der Diskussion um die Friedensziele beteiligt. Von einer  Klärung der Friedensbedingungen der Alliierten für den Fall eines möglichen Umsturzes in Deutschland hing für alle, die konspirativ darauf hinarbeiteten, das Gelingen ihrer Planungen ab. Dietrich Bonhoeffer war aufgrund seiner ökumenischen Beziehungen, insbesondere mit Bischof George Bell, dafür prädestiniert, diese Klärung voranzutreiben. In England hatte sich in kirchennahen Kreisen eine Diskussion über die Vorstellungen für ein ‚neues Europa‘ nach dem Krieg entwickelt. Im Juli 1941 hatte William Paton als Sprecher eines Gesprächskreises mit hochrangigen kirchlich, gesellschaftlich und politisch Verantwortlichen einen Friedensentwurf publiziert mit dem Thema „The Church and the New Order“.[1]

Auf einzelne Punkte dieses Entwurfs antwortete Dietrich Bonhoeffer während seiner zweiten Schweizer Reise (28. August – 26. September 1941) zusammen mit Willem A. Visser’t Hooft, dem Generalsekretär des im Aufbau befindlichen Ökumenischen Rats der Kirchen in Genf. Als eine „hochpolitische Buchbesprechung“ bezeichnet Eberhard Bethge[2]  dieses Memorandum aus Genf. Bei den Ausführungen zu Patons 4. Kapitel („The ideal and the next steps“) konkretisiert Dietrich Bonhoeffer in seinem Entwurf die Friedensziele:

 

„Es kommt darauf an, ob in Deutschland eine staatliche Ordnung verwirklicht wird, die sich den Geboten Gottes verantwortlich weiß. Das wird sichtbar werden an der restlosen Beseitigung des NS-Systems einschließlich und speziell der Gestapo, an der Wiederherstellung der Hoheit des gleichen Rechtes für alle, an einer Presse, die der Wahrheit dient, an der Wiederherstellung der Freiheit der Kirche, das Wort Gottes in Gebot und Evangelium aller Welt zu predigen.“[3]

 

Bonhoeffer widerspricht einer „Aufteilung des Wirklichkeitsganzen in einen sakralen und einen profanen“ Bezirk (Ethik, DBW 6, S.42) und fordert damit das historisch in der Aufklärung begründete säkulare Weltverständnis heraus. Auch die ‚Kreisauer‘ und die ‚Freiburger‘ formulieren einen Gottesbezug in ihren Vorstellungen für eine Friedensordnung. Bonhoeffer sucht allerdings die Grundlage der Rechtsordnung explizit nicht im Ideal des Persönlichkeitsrechts des Individuums oder der Menschenrechte, sondern in Gottes Geboten zum Schutz des Andern, der in Gottes Andersheit (1. Gebot) und im göttlichen Gewaltmonopol verbürgt ist und in Christus als dem ‚Menschen für Andere‘ erfahren werden kann. „Wer sich zu der Wirklichkeit Jesu Christi als der Offenbarung Gottes bekennt, der bekennt sich im selben Atemzug zu der Wirklichkeit Gottes und zu der Wirklichkeit der Welt; denn er findet in Christus Gott und die Welt versöhnt.“[4]

 

Was bedeutet heute dieses christliche Bekenntnis im interreligiösen Dialog angesichts der religiös-kulturellen Pluralität für die Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit in Europa? Auf welchem normativen Fundament kann das „gemeinsame Haus Europa“ in stürmischen Zeiten bestehen und auch den imperialen kriegerischen Angriffen der „Russki Mir“[5] („Russische Welt“) standhalten? Sicher nicht nur durch die Demonstration militärischer Stärke nach außen, sondern grundlegend durch die innere Stärkung des Zivil-, Staats- und Völkerrechts. Wenn die Würde ‚des Anderen‘ geachtet, geschützt und deren Verletzungen durch Aggression, Hass, Missachtung und Ausschluss auch sanktioniert werden soll, ist Offenheit, Lernwilligkeit und Dialogbereitschaft der Weg der Empathie und Solidarität in der unversöhnten Welt,   zusammengefasst im Liebesgebot. Die Verwirklichung dieses Gebots Gottes, das seine versöhnende Kraft in Christi Wort und Tat erweist, erfuhr Dietrich Bonhoeffer in der Ökumene, in der „universalen christlichen Bruderschaft, die sich über alle nationalen Hassgefühle erhebt“[6].

 

Gottfried Brezger, Pfarrer i.R., Vorsitzender des Vorstands

Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus e.V., Berlin

 

Literaturhinweis:

Die Botschaft eines Zeugen.

Ein Dokument des Widerstands und der Ökumene:

Dietrich Bonhoeffer und W.A. Visser’t Hooft antworten auf William Patons Friedensentwurf („The Church and the New Order“, July 1941)

Gottfried Brezger: Jahrbuch für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte. Jahrgang 73/2021, S.230-262.

 

„Die Wiederherstellung einer echten weltlichen Ordnung unter Gottes Gebot“ – Friedensziele für die Zeit nach dem Ende des NS-Staats: Dietrich Bonhoeffer: Gedanken zu William Patons Schrift „The Church and the New Order in Europe“, in: Das Zeugnis eines Boten, S. 10, Neuauflage in der Sonderausgabe 2020 des Bonhoeffer-Rundbriefes, ibg, Dezember 2020, mit einem Vorwort von Christian Löhr und einem Grußwort von Joan Sauca, eingeleitet von Gernot Gerlach und Hartmut Rosenau, S. 29 f.

Dietrich Bonhoeffer Werke, Band 16: Konspiration und Haft. 1940-1945. Herausgegeben von Jørgen Glenthøj, Ulrich Kabitz und Wolf Krötke. (DBW 16), München 1996, 540.

[1] William Paton: The Church and the New Order, Gateshead on Tyne, July 1941

[2] Eberhard Bethge: Dietrich Bonhoeffer. Eine Biographie, München 1970, S. 829-833.

[3] S. Fußnote 1.

[4] Dietrich Bonhoeffer, Ethik, DBW 6.47f.

[5] Aufhorchen lässt heute die Formulierung in Bonhoeffers Entwurf der Antwort auf Paton in der Erwartung des Siegs der Alliierten über das nationalsozialistische Deutschland: „Nicht der Pangermanismus, sondern der Panslawismus ist die kommende Gefahr“. Im gemeinsam mit Visser’t Hooft verfassten Memorandum steht dazu: „Selbst wenn wir das britisch-russische Bündnis als zu rechtfertigende und unvermeidliche politische Entscheidung betrachten können, dürfen wir die Gefahr nicht bagatellisieren, die Russland für alles, was uns wert ist, darstellt.“ (DBW 16, S. 549 / S. 807, Übersetzung)

[6] Dietrich Bonhoeffers letzte Worte, eine Botschaft an Bischof George Bell, DBW 16, S.468.

 

Besuch aus Brüssel

Katharina von Schnurbein, seit 2015 die erste Antisemitismusbeauftragte der Europäischen Kommission in Brüssel, hat anlässlich ihrer Mitwirkung beim Gedenkforum zum 80. Jahrestag der Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 das Bonhoeffer-Haus besucht.

Wir haben uns gefreut über den regen Austausch der Gedanken über die aktuelle Bedeutung des Denkens und Handelns Dietrich Bonhoeffers in der Auseinandersetzung mit Antisemitismus. „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen“ hat sie in unser Gästebuch geschrieben. Frau von Schnurbein ist sehr gut informiert über die Geschichte und Bedeutung Dietrich Bonhoeffers, nicht zuletzt durch die Begegnung mit Laura M Fabrycky in Brüssel und die Lektüre ihres Buchs ‚Schlüssel zu Bonhoeffers Haus‘. Sie zeigte sich erfreut über das ehrenamtliche Engagement im Haus und machte uns aufmerksam auf Förderprogramme der Europäischen Kommission unter den Aspekten Citizens, Equality, Rights and Values (CERV).

Katharina von Schnurbein am 19. Januar 2022 vor der 1. Tafel der Ausstellung im Bonhoeffer-Haus: Berliner Orte mit einem Bezug zu Dietrich Bonhoeffer.

Wir haben ihre Anregung aufgenommen und sind dabei zu prüfen, ob die Ausschreibungsbedingungen eines der verschiedenen Programme passen könnten zu unserer vordringlichen Zielsetzung: Ergänzung der Besuche im Haus durch Digitalisierung der weltweiten Erinnerung und Begegnung mit dem Widerstand Dietrich Bonhoeffers im Kontext seiner Familie.

Gottfried Brezger

„Schlüssel zu Bonhoeffers Haus“ – Zoom-Gespräch mit der Autorin Laura M. Fabrycky in Washington D.C. / USA

Zoom-Gespräch mit der Autorin Laura M. Fabrycky in Washington D.C. / USA am 4. Februar, 18 Uhr, zum 116. Geburtstag von Dietrich Bonhoeffer.

Laura M. Fabrycky war von 2016-2018 Mitglied des Begleit-Teams in der Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus, Marienburger Allee 43 in Berlin.

Wir laden ein zum digitalen Live-Gespräch (in Englisch) und Auszügen aus ihrem Buch (in Deutsch) und bitten um Anmeldung unter brezger@bonhoeffer-haus-berlin.de

„Wie ich Welt und Weg Dietrich Bonhoeffers entdeckte“ („Exploring the world and wisdom of Dietrich Bonhoeffer“) ist der Untertitel des Buchs. Der ihr überlassene Schlüssel zum Haus wird für Laura zum Auftrag, auch anderen Menschen einen Schlüssel in die Hand zu geben, um ihre eigenen Fragen und Erfahrungen mit dem Leben und Denken Dietrich Bonhoeffers in Verbindung zu bringen: „Wenn auch kein einziger Aspekt meines Lebens dem Bonhoeffers glich, war das Bonhoeffer-Haus doch Zeugnis menschlicher Erfahrungen, die ich aus meinem eigenen Alltag kannte“ (32). Das 2021 im Gütersloher Verlag erschienene Buch, mit einer kurzen Chronologie zum Leben Dietrich Bonhoeffers und ausführlichen Anmerkungen versehen, ist keine Biographie; es ist die Erzählung von persönlichen Erfahrungen. Laura betont einzelne Aspekte im Leben und Denken Bonhoeffers und nimmt uns mit auf ihren Weg mit ihm.

Literaturhinweis – Laura M. Fabrycky

Laura M. Fabrycky, US-Amerikanerin, hat während der Dienstzeit ihres Manns in der US-Botschaft in Berlin mit Ihrer Familie in dieser Stadt gelebt und hat sich mit diesem Land vertraut gemacht. Im Bonhoeffer-Haus, diesem ganz besonderen historischen Lernort, hat sie sich auf Spurensuche begeben. Als Mitglied des Teams im Bonhoeffer-Hauses hat sie zwei Jahre lang Besuchende in englischer Sprache durch das Haus der Familie Bonhoeffer  begleitet. Sie kam von außen und berichtet von innen. Das Buch ist eine Erkundungsreise, die beim Lesen interessante Zugänge zum Leben und Werk Dietrich Bonhoeffers in seinem historischen Kontext und in seiner aktuellen Bedeutung erschließt.

 

Laura M. Fabrycky

Schlüssel zu Bonhoeffers Haus

Wie ich Welt und Weg Dietrich Bonhoeffers entdeckte

Gütersloher Verlagshaus / Penguinrandomhouse, Gütersloh/München, 2021

https://www.penguinrandomhouse.de/Buch/Schluessel-zu-Bonhoeffers-Haus/Laura-M-Fabrycky/Guetersloher-Verlagshaus/e579707.rhd

https://laurafabrycky.com/

Video-Präsentation einer Führung

Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus e.V.
Marienburger Allee 43
14055 Berlin
Gottfried Brezger, Pfarrer i.R.
Vorsitzender

1. Ich stehe hier vor dem Haus der Familie Bonhoeffer. Karl Bonhoeffer, einer der bekanntesten Psychiater und Neurologen seiner Zeit, und seine Frau Paula haben sich dieses Haus als Alterssitz bauen lassen. Als sie 1935 einzogen, war Karl 68 Jahre alt, doch er praktizierte noch weiter. Das geschah im Erdgeschoss, wo er auch seine Bibliothek hatte. Dietrich Bonhoeffer und seine sieben Geschwister sind nicht hier aufgewachsen, sondern in einer alten Villa im Bezirk Grunewald. Dietrich, der einzige noch nicht Verheiratete in der Familie, war 29 Jahre, als er mit seinen Eltern in das neue Haus einzog. Unter dem Dach, wo die beiden Fenster sind, hatte er sein Studierzimmer.

2. In seinem Elternhaus schrieb Dietrich Bonhoeffer an seiner ‚Ethik‘ und traf sich mit Gegnern des Nationalsozialismus. In der Stadt der „Topographie des Terrors“ war dieses Haus eine „Topographie des Widerstands“. Am 5. April 1943 wurde Dietrich Bonhoeffer hier verhaftet. Wir gehen nun durch das Gartentor zum Eingang des Hauses.

3. Karl und Paula Bonhoeffer haben zwei Söhne und zwei Schwiegersöhne im Widerstand verloren: Klaus und Dietrich, Rüdiger Schleicher, verheiratet mit Ursula Bonhoeffer, der mit seiner Familie im Nebenhaus wohnte, und Hans von Dohnanyi, verheiratet mit Christine Bonhoeffer. An sie erinnert die Gedenktafel am Eingang des Hauses.

4. Nach dem Tod der Eltern Karl 1948 und Paula 1951 hat die Familie das Haus an die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg verkauft. Das Haus wurde zum Zentrum der Gemeinde der Studierenden an den Hochschulen im Westen der Stadt. Eberhard Bethge, Dietrichs Freund und Biograph, zog als der erste Studentenpfarrer mit seiner Familie ein. Renate Bethge, geborene Schleicher, eine Nichte Dietrich Bonhoeffers, war im Nachbarhaus aufgewachsen. Später wurde das Haus ein Studentenwohnheim im kirchlichen Besitz und dabei blieb es 30 Jahre lang. Eine ganze Generation lang war die Erinnerung an den Widerstand – auch gesellschaftlich – in den Hintergrund gedrängt. 1987 war es dann so weit, dass in diesem Haus der Kirche die „Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus“ eröffnet wurde, nicht als ein Museum, sondern als ein historischer Lernort, der an außergewöhnliche Männer und Frauen erinnert. Die Ausstellung im Erdgeschoss zum Leben Dietrich Bonhoeffers und sein restauriertes Studierzimmer helfen bei der Spurensuche.

5. Besuchende von nah und fern kommen hierher. Dietrich Bonhoeffer ist weltweit bekannt als Pfarrer und theologischer Lehrer der ‚Bekennenden Kirche‘, ökumenischer Mahner zum Frieden und Autor bewegender Briefe und Gedichte aus dem Gefängnis. „Beten und das Gerechte tun und auf Gottes Zeit warten“ bedeutete für ihn, im Glauben den Weg des politischen Widerstands zu gehen bis in den Tod. Sein Denken und Handeln fordert auch uns heute in konkreten kirchlichen, ethischen und politischen Konflikten heraus zu der in Christus begründeten Verantwortung für den Andern in der ‚mündigen Welt‘.

6. Mein Name ist Gottfried Brezger. Ich war 32 Jahre lang Gemeindepfarrer in Berlin und bin nun schon einige Jahre im Ruhestand. Seit 1998 leite ich die Arbeit in diesem Haus. Wir sind ein Team von z. Zt. sechs Ehrenamtlichen, die Einzelne und Gruppen zur Information und zum Gespräch einladen und durch das Haus führen.

7. Ihre Anfrage bzw. Anmeldung erbitten wir auf unserer Website:
https://www.bonhoeffer-haus-berlin.de
Regelmäßig haben wir geöffnet am Samstag von 10-12 Uhr. Zusätzlich können Besuchstermine in der Woche vereinbart werden.

Herzlich willkommen!

Dr. Wojciech Szczerba, Dr. Marek Kucharski und Dr. Piotr Lorek zu Gast im Bonhoeffer Haus Berlin

Bonhoeffer-Haus, 26. Mai 2021. Dr. Wojciech Szczerba, Dr. Marek Kucharski und Dr. Piotr Lorek, Professoren der „Evangelical School of Theology“, EWST, Wroclaw, beim Gespräch mit den Mitgliedern der Begleitgruppe im Bonhoeffer-Haus Martina Dethloff, Ingrid Portmann, Gottfried Brezger (Foto).

 

Die Besucher aus Wroclaw sind nach Berlin gekommen, um im Rahmen des ERASMUS-Programms Kooperationsmöglichkeiten mit der Evangelischen Akademie zu Berlin und auch mit dem Bonhoeffer-Haus zu erkunden. Dabei knüpfen sie an die Begegnung mit Mitgliedern der Begleitgruppe des Bonhoeffer- Hauses bei deren Studienreise nach Wroclaw vom 26.-29. September 2019 an.

 

Die EWST Breslau ist eine international vernetzte (z. B. mit der methodistischen Duke University in North Carolina / USA) Interkonfessionelle, Interreligiöse (Interfaith) Theologische Hochschule, mit besonderen Bezügen zur Lutherischen, Römisch-Katholischen und zu Pentecostalen Kirchen. Sie ist offen für die Herausforderungen für Theologie, Kirche und Leben im säkularen Kontext in der gegenseitigen Achtung anderer Überzeugungen.

 

Aktuelle Anknüpfungspunkte an Dietrich Bonhoeffers Leben und Werk in Polen:

  • Umgang der Kirche mit ihrer Schuld: Verwicklung in staatliche Machtstrukturen im kommunistischen Staat (Kollaboration) und die Politik der PIS-Partei

(Dietrich Bonhoeffer, Ethik-Manuskript „Schuld, Rechtfertigung, Erneuerung“)

  • Kirchliches Versagen gegenüber sexuellen Missbrauchsvorwürfen
  • Verschärfung des Gegensatzes zwischen einer reichen Kirche und Armut in der Bevölkerung in Polen
  • Säkularisierungsschub und Verlust kirchlicher Bindungen, insbesondere bei Jüngeren

Gedenken zum 76. Todestag Bonhoeffers

Gedenktafel Flossenbürg
Gedenktafel Flossenbürg

Am 9. April 1945 wurden Hans von Dohnanyi in Sachsenhausen und Dietrich Bonhoeffer mit den Mitverschwörern aus dem Oberkommando der Wehrmacht in Flossenbürg ermordet.

Leider können wir auch an diesem Tag, wie schon im vergangenen Jahr, wegen der Pandemie das Bonhoeffer-Haus nicht für Besuche öffnen.

Mit den Gedanken von Dietrich Bonhoeffer können wir aber im Gedenken an ihn und die andern, die ihr Leben für das „Weiterleben einer kommenden Generation“ eingesetzt haben, verbunden bleiben.

Einige Glaubenssätze über das Walten Gottes in der Geschichte

Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.

Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen.   Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.

Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten, Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.

Dietrich Bonhoeffer, Rechenschaft an der Wende zum Jahr 1943 – Nach zehn Jahren (für Eberhard Bethge, Hans v. Dohnanyi und Hans Oster), in: Widerstand und Ergebung, Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, Dietrich Bonhoeffer Werke, Band 8, 30f., Christian Kaiser / Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1998

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Gottfried Brezger, Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus