Wir verurteilen die politische Vereinnahmung Dietrich Bonhoeffers

Das nachfolgende Statement des Bonhoeffer-Hauses in Berlin erschien im Kulturteil der Berliner Morgenpost vom 19.11.2024 zusammen mit einem Beitrag von Tobias Korenke, Angehöriger der Bonhoeffer-Familie und Zweiter Vorsitzender des Vereins am Bonhoeffer-Haus.
Artikel und Statment können hier eingesehen und nachgelesen werden.

Statement der Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus:

Als Erinnerungs- und Begegnungsstätte, die Geist und Haltung der Familie Bonhoeffer dokumentiert und weitergibt, schließen wir uns der Petition der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft und dem offenen Brief der Bonhoeffer-Familie an.

Das Bonhoeffer-Haus wurde 1935 als Alterswohnsitz von Dietrich Bonhoeffers Eltern, Paula und Karl Bonhoeffer, erbaut. Wann immer Dietrich Bonhoeffer in Berlin war, lebte er hier. Teile seines Buches Ethik schrieb er im Mansardenzimmer. Hier fanden zahlreiche Treffen von Angehörigen des Widerstands gegen die Nationalsozialisten unter entscheidender Beteiligung von Familienmitgliedern statt. Am 5. April 1943 wurde Dietrich Bonhoeffer in diesem Gebäude verhaftet. Im April 1945 wurde er wie sein Bruder Klaus und seine Schwäger Hans von Dohnanyi und Rüdiger Schleicher von den Nationalsozialisten ermordet.

Heute treffen sich in dem Haus unzählige Menschen aus allen Ländern, um den Geist, aus dem heraus die Familie Widerstand leistete, zu verstehen und von der couragierten Haltung der Bonhoeffers für ihr eigenes Leben zu lernen. Allen, die sich ernsthaft mit den Schriften und dem Leben der Bonhoeffers beschäftigen, ist leicht ersichtlich, dass sie jede Form des politischen Extremismus, des Nationalismus und jede Ausgrenzung von Menschen zutiefst verabscheuten. Dass heute ausgerechnet gewaltbereite Nationalisten meinen, sich auf Dietrich Bonhoeffer berufen zu können, verunglimpft die Menschen, die ihr Leben gaben im Einsatz für Menschenrechte, politische Freiheit und christliche Nächstenliebe, in unerträglicher Weise.

In Gesprächen und Begegnungen an historischer Wirkungsstätte erinnern wir an die entschiedene Ablehnung des Vaters Karl gegenüber jeder Art von Personenkult, an die mütterliche Mahnung Paulas an die Kinder, sich für schwächere in der Gesellschaft einzusetzen, an die noch im hohen Alter mit Rückgrat auftretende Großmutter Julie, an Dietrichs Entscheidung, sein Leben für andere zu leben.

Als historischer Lernort, als lebendiger Verein und als kirchliches Werk verurteilen wir entschieden die ideologische Instrumentalisierung von Dietrich Bonhoeffers Erbe. Wir rufen dazu auf, die Petition der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft zu unterstützen:

SIGN AND SHARE THE PETITION: Stop Misusing Dietrich Bonhoeffer to Support Political Violence and Christian Nationalism & UPDATE: Members of Bonhoeffer’s Extended Family Publish Open Letter Condemning the Distortion of his Legacy

In seiner berühmten Analyse des Widerstands „Nach zehn Jahren“, die Dietrich Bonhoeffer zur Jahreswende 1942/43 in diesem Gebäude schrieb, heißt es: „Die große Maskerade des Bösen hat alle ethischen Begriffe durcheinandergewirbelt. Dass das Böse in der Gestalt des Lichts, der Wohltat, des geschichtlich Notwendigen, des sozial Gerechten erscheint, ist für den aus unserer tradierten ethischen Begriffswelt Kommenden verwirrend; für den Christen, der aus der Bibel lebt, ist es gerade die Bestätigung der abgründigen Bosheit des Bösen.“

Wir dürfen uns nie wieder von dem Bösen verwirren lassen.

Vorstand und Mitarbeitende der Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus e.V. in Berlin:

Gottfried Brezger, Martina Dethloff, Arno Helwig, Hans-Karl Kahlbaum, Tobias Korenke, Kurt Kreibohm, Christina Lange, Ulrich Luig, Ulrike Trautwein, Silke Tournay, Ingrid Portmann, Konrad Raiser, Christian Zeiske

 

Weiterlesen:


Den offenen Brief von Mitgliedern der Bonhoeffer-Familie lesen Sie hier:
Dietrich Bonhoeffer nicht verdrehen und missbrauchen!

Die Schauspieler des Films „Bonhoeffer: Pastor. Spy. Assassin.“ sprechen sich in einem eigenen Statemnet hier gegen die Vermarktung und politische Instrumentalisierung des Films durch aus:
Statement der Schauspieler

 

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