So viel Widerstandskraft ! Bonhoeffer lesen in kritischen Zeiten (11) Exaudi, 24. Mai 2020

Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus
www.bonhoeffer-haus-berlin.de


EXAUDI: Aaronskirche gegen Mosekirche – der ewige Konflikt in der Kirche Christi


TEXT
DBW 12,459 ff. (Kommasetzung korrigiert, Fortführungen im Original: ∙∙∙, Auslassungen …)
Predigt zu 2. Mose 32: „Das goldene Kalb“
28.5.1933, Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche (KWG) Vertretung für G. Jacobi, wie Himmelfahrt)

Der Priester gegen den Propheten, die Weltkirche gegen die Kirche des Glaubens, Aaronskir-che gegen Mosekirche – von diesem ewigen Konflikt in der Kirche Christi und von seiner Lö-sung wollen wir heute hören.

Mose und Aaron, die beiden Brüder, vom selben Stamm, vom selben Blut, aus derselben Ge-schichte, ein Stück Weges Seite an Seite gehend – dann auseinander gerissen – Mose, der erste Prophet, Aaron der erste Priester, Mose, der von Gott Herausgerufene, ohne Ansehen der Person Erwählte, der Mann mit der schweren Zunge, der Knecht Gottes, der allein im Hö-ren auf das Wort seines Herrn lebt – Aaron, der Mann mit dem Purpurrock und der heiligen Krone, der geweihte und geheiligte Priester, der dem Volk seinen Gottesdienst erhalten muss. Und nun in unserer Geschichte Mose, allein hoch oben auf dem Berg des Schreckens bei dem lebendigen Gott, zwischen Leben und Tod in Blitz und Donner, berufen, um das Gesetz des Bundes Gottes mit seinem Volk in Empfang zu nehmen – dort unten im Tal das Volk Israel mit seinem Priester im Purpurrock, opfernd und gottferne.

Warum müssen Mose und Aaron widereinander sein? Warum können sie nicht im selben Dienst ne-ben einander stehen? Warum muss Mosekirche und Aaronskirche, Kirche des Wortes und Weltkir-che, immer wieder auseinanderbrechen? Die Antwort auf diese Frage steht in unserem Text.

Mose ist von Gott auf den Berg gerufen für sein Volk. Dort oben will Gott mit ihm reden. Die Kinder Israel wissen das, sie wissen, dass Mose für sie dort oben steht, kämpft, betet, leidet … Aber die Aaronskirche, die Kirche der Welt, kann nicht warten, sie ist ungeduldig. Wo ist Mose geblieben? Warum kommt er nicht zurück? Wir sehen ihn nicht mehr. Wo ist er mit seinem Gott? „Wir wissen nicht, was diesem Mose widerfahren ist ∙∙∙“ Mag sein, er ist nicht mehr, er ist tot. So fragt die Aaronskirche zu allen Zeiten nach der Kirche des Wortes. „Wir sehen sie nicht, wo sind ihre Leistungen, ihre Taten ∙∙∙ Gewiss, sie ist tot!“ …

Gewiss, die Kirche des Wortes ist auch heute wieder auf dem Sinai und hält unter Blitz und Donnern, in Angst und Zittern dem Wort Gottes stand, wartet, glaubt, betet, kämpft – für wen? – für die Kirche Aarons, für die Kirche da unten im Tal, für die Weltkirche. Das Nichtwarten-können der Weltkirche, ihre Ungeduld, das ist die erste Stufe ihres Zusammenpralles mit der Kirche des Wortes von jeher gewesen und wird es bleiben.
„Wir wissen nicht, was diesem Mose widerfahren ist. Auf, Aaron, mache du uns Götter, die vor uns hergehen.“ Das ist der zweite Schritt, der dem ersten unmittelbar folgt. Die Weltkirche, die Kirche der Priester, will etwas sehen. Sie will nun nicht mehr warten. Sie will selbst ans Werk gehen, selbst handeln, selbst tun, was Gott und der Prophet nicht tun. Wozu ist der Priester da? Wozu ist die Kirche da, wenn sie aufs Warten gestellt sind …

Es ist wirklich gar kein so übles Anliegen, das hier vorgebracht wird; es ist sogar ein frommes Anliegen. Man sagt ja nicht: fort mit den Göttern, sondern: wir brauchen Götter, eine Religion, schaff uns welche. Man jagt auch den Priester nicht davon, sondern man sagt ihm: versieh deinen Dienst. Erhalte dem Volk die Religion, gib ihm Gottesdienste. Sie wollen wirklich eine Kirche mit Göttern und Priestern und Religion bleiben, aber eine Aaronskirche – ohne Gott …

Wir hören sagen: Die Massen seien nicht so opferbereit. Aber die kennen die Welt nicht, die so sagen! Zu jedem Opfer ist das Menschengeschlecht bereit, in dem es sich selber feiern, sein eigenes Werk anbeten darf. Zu jedem Opfer ist die Weltkirche, die Aaronskirche, bereit, wenn sie sich ihren Gott selbst machen darf. Vor dem Gott, den wir machen nach unserem Wohlge-fallen, sinkt das Menschengeschlecht und die Weltkirche freudig lächelnd auf die Knie. Aber Gott findet wenig Opferbereitschaft. …Da muss zur Verherrlichung des Götzen alles herhalten, da wirft jeder nach seinem Belieben und Vermögen eigene Ideale in den Schmelztiegel – und dann beginnt der Rausch, die Weltkirche feiert ihren Triumph, der Priester hat seine Macht erwiesen, nun steht er selbst in der Mitte in seinem Purpurrock und [mit] seiner heiligen Krone und betet das Geschöpf seiner Hand an ∙∙∙ und um ihn herum fällt das Volk selig nieder und blickt auf den Götzen, den sie aus eigener Kraft, aus eigenem Opfer bereitet haben. Wer wollte da abseits stehen, bei diesem frommen Jubel, Taumel ohnegleichen, bei dieser Großtat menschlichen Wollens und Könnens. Die Weltkirche hat nun ihren Gott ∙∙∙ Kommt, opfert ihm, freut euch, spielt, esst, trinkt, tanzt, jubelt, begeistert euch. Ihr habt wieder einen Gott ∙∙∙ Das sind die Götter, Israel, die dich aus der Knechtschaft geführt haben. Kommt, seht, betet an!

Aber auf dem Sinai grollt es. Da zeigt Gott dem Mose sein treuloses Volk. Und Mose zittert für sein Volk und steigt eilends vom Berge … da steht er unter ihnen, der unerwartete Prophet – hoch schwingt er in den Händen die Tafeln des Gesetzes und sie alle müssen es sehen, die von Gottes Hand eingegrabene Schrift: Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst nicht andere Götter haben neben mir! Stumme Angst, Entsetzen ergreift die Weltkirche bei diesem Anblick, der Rausch ist aus – der lebendige Gott ist unter sie getreten, stürmt gegen sie an. Was wird ge-schehen? Da – ein Augenblick ohnegleichen, ein furchtbarer Augenblick – und die Tafeln des Gesetzes liegen zerschmettert an dem Götzenbild und der Götze selbst ist zerschlagen und verbrannt. Das ist das Ende der Weltkirche. Gott hat es angerichtet. Gott ist Herr geblieben. Herr, erbarme dich ∙∙∙

Priesterkirche – Kirche des Wortes. Aaronskirche – Mosekirche – dieser geschichtliche Zu-sammenstoß am Fuße des Sinai, das Ende der Weltkirche und die Erscheinung des Wortes Gottes wiederholt sich in unserer Kirche Tag für Tag, Sonntag für Sonntag. Als Weltkirche, die nicht warten, die nicht vom Unsichtbaren leben will, als Kirche die sich selbst ihre Götter macht, als Kirche die einen Gott haben will, wie er ihr gefällt und die nicht danach fragen will, wie sie Gott gefalle, als Kirche, die zu jedem Opfer bereit ist, wo es um Götzentum, um Ver-götzung menschlicher Gedanken und Werte geht – als Kirche, die sich selbst göttliche Voll-macht im Priestertum anmaßt – als solche Kirche kommen wir immer wieder zum Gottesdienst zusammen. Und als Kirche, deren Götze zerschlagen und zertrümmert am Boden liegt, als Kirche, die von neuem hören muss: ich bin der Herr dein Gott ∙∙∙ als Kirche, die von diesem Wort getroffen zusammenbricht, als Kirche des Mose, Kirche des Wortes – sollten wir dann wieder auseinandergehen.

Aber es bleibt nicht bei dem Bruch. Noch einmal steigt Mose auf den Berg. Diesmal um für sein Volk zu bitten. Sich selbst bringt er zum Opfer … Mose konnte die Versöhnung nicht schaffen. Wer schafft hier Versöhnung? Kein anderer als der Priester und Prophet in einem ist der Mann mit dem Purpurmantel und der Dornenkrone, der fürbittend für uns vor Gott steht, der gekreuzigte Sohn des Vaters.
Hier in seinem Kreuz hat alle Vergötzung ein Ende. Hier ist das ganze Menschengeschlecht, hier ist die ganze Kirche, gerichtet und begnadigt. Hier ist der Gott ganz Gott, der keine ande-ren Götter neben sich duldet, aber nun auch ganz Gott, indem er vergibt ohne Grenzen. Auf das Kreuz zeigen wir als die Kirche, die immer Mose- und Aaronskirche zugleich ist, auf das Kreuz zeigen wir und sagen: sieh, Israel, das ist dein Gott, der dich aus der Knechtschaft ge-führt hat und wieder führen wird. Kommt, glaubt, betet an. Amen.

KONTEXT

In seiner Auslegung der biblischen Geschichte vom „Goldenen Kalb“ wendet sich Dietrich Bon-hoeffer – ohne Parteien, Programme und Namen zu nennen – grundsätzlich und aktuell gegen die „Vergötzung menschlicher Gedanken und Werte“. Wie früh und klar er die Gefahr für die Kirche und die Welt erkannte, während andere noch im Rausch und Triumph der nationalsozia-listischen Revolution eine Chance für die Verwirklichung ‚frommer Anliegen‘ sahen, das be-weist seine Predigt am 24. Mai 1933 in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.

Was war seit der Machtübergabe an den Reichskanzler Adolf Hitler am 30. Januar bereits in der Politik und in der Kirche geschehen?

Hitler nutzte die inszenierte Aufbruchstimmung („soziale Revolution“, nationale ‚Befreiung‘ vom Versailler Vertrag, religiöse Erhebung im „Schmelztiegel“ völkischer Begeisterung), um im Früh-jahr 1933 das Tempo zu forcieren bei der Umwandlung des Staats der Weimarer Reichsverfas-sung in einen Terrorstaat. Dies geschah innerhalb von drei Monaten, ‚Schlag auf Schlag‘:

  • 1./8.Februar Auflösung des Reichstags und der Gemeindeversammlungen in Preußen
  • 4. Februar Verbot politischer Versammlungen („Verordnung zum Schutz des deutschen Volkes“)
  • Februar Ernennung von SS- und SA-Mitgliedern zu bewaffneten Hilfspolizisten
  • Februar Aufhebung demokratischer Grundrechte durch die Reichstagsbrand-Verordnung
  • März Errichtung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (11. März)
  • März Errichtung des 1. Konzentrationslagers in Dachau
  • März „Tag von Potsdam“, Eröffnung des Reichstags nach der Neuwahl vom 12. März
  • März Ausschaltung des Reichstags durch das „Ermächtigungsgesetz“
  • März „Heimtückegesetz“ (Verordnung des Reichspräsidenten)
  • 1. April Boykott jüdischer Geschäfte und Einrichtungen
  • 7. April „Gesetz zur Reinhaltung des Berufsbeamtentums“ mit „Arierparagraphen“
  • April Gründung der Gestapo
  • 1. Mai nationalsozialistische Inszenierung am 1. Mai auf dem Tempelhofer Feld
  • 2. Mai Zerschlagung der Gewerkschaften
  • 6. Mai Entlassung jüdischer Honorarprofessoren und Notare
  • Mai Bücherverbrennung
    Die nationalsozialistische Strategie beruhte auf Manipulation der öffentlichen Medien, Entsolida-risierung, Einschüchterung, Inhaftierung und Mord und der Propagierung der „Volksgemein-schaft“, mit dem Ausschluss von rasseideologisch Verfolgten. Provokation und Gesetzesbruch dienten als Test; bei ausbleibendem Protest wurden die Gesetze im Sinn der nationalsozialisti-schen Politik umgeschrieben. Protest von leitenden kirchlichen Verantwortlichen blieb aus. Der Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union erklärte am 11.April in der Osterbotschaft: „Mit allen evangelischen Glaubensgenossen wissen wir uns eins in der Freude über den Aufbruch der tiefsten Kräfte unserer Nation zu vaterländischem Bewusstsein echter Volksgemeinschaft und religiöser Erneuerung.“ Die Tafeln der Zehn Gebote blieben heil.

„Wer wollte da abseits stehen, bei diesem frommen Trubel, Taumel ohnegleichen, bei dieser Großtat menschlichen Wollens und Können. Die Weltkirche hat nun ihren Gott ∙∙∙ Kommt, opfert ihm, freut euch, spielt, esst, trinkt, tanzt, jubelt, begeistert euch. Ihr habt wieder einen Gott ∙∙∙ Das sind die Götter, Israel, die dich aus der Knechtschaft geführt haben. Kommt, seht, betet an!“

Die Vertreter der Kirchen waren in dieser Zeit mit sich selbst beschäftigt, die Katholische Kirche mit den Verhandlungen für das Reichskonkordat (Unterzeichnung am 20. Juli 1933), die Evan-gelische Kirche mit der Abwehr der Gleichschaltungspolitik der „Deutschen Christen“. Bei ihrer Reichstagung am 3./4. April forderten diese die Übernahme des Führerprinzips, des Arierpara-graphen und die Beseitigung der Landeskirchen und der konfessionellen Unterschiede durch die Schaffung einer Reichskirche.
Mit der Absicht, sich das Gesetz des Handelns nicht aus der Hand nehmen zu lassen, arbeite-ten die Leitungsorgane der Evangelischen Kirche daran, die Zusammenarbeit der Landeskir-chen und Konfessionen im Kirchenbund mit der Verfassung der Reichskirche neu zu regeln. Dabei kam zum inneren Kirchenstreit die Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Kirche. Auf die Beratungen wirkte Hitler durch die Beauftragung Ludwig Müllers als seinem Bevoll-mächtigten für die Angelegenheiten der evangelischen Kirche ein. Die in der Auseinanderset-zung mit den „Deutschen Christen“ am 9. Mai sich bildende „Jungreformatorische Bewegung“ drängte darauf, Friedrich v. Bodelschwingh als Reichsbischof gegen Müller durchzusetzen. Am 27. Mai erfolgte mehrheitlich seine Designation durch die Vertreter der Landeskirche.

Bereits einen Monat vor Karl Barths Weckruf „Theologische Existenz heute!“ (25. Juni 1933, veröffentlicht am 1. Juli 1933), der die Umkehr vom kirchenpolitischen Aktivismus zur geistli-chen Besinnung („Theologie und nur Theologie zu treiben“) fordert, spricht Dietrich Bonhoeffer in seiner Exaudi-Predigt (s.o.) vom „ewigen Konflikt“ „der Aaronskirche gegen Mosekirche“, wobei anzunehmen ist, dass er den augenblicklichen Konflikt zwischen der „Weltkirche“ gegen die „Kirche des Glaubens“ (und vielleicht auch die Situation in der KWG) dabei im Auge hat.

Mit soziologischem Blick beschreibt Bonhoeffer die Rollenverteilung zwischen den beiden Brü-dern: Mose ist der Prophet, der auf dem Sinai Gottes Wort hört: „Er hält dem Wort Gottes stand, wartet, glaubt, betet, kämpft – für wen? – für die Kirche Aarons.“ Aaron ist der Priester. Das Volk hat ein „frommes Anliegen … man sagt ihm: versieh deinen Dienst. Erhalte dem Volk die Religion, gib ihm Gottesdienste.“

Merkwürdig, dass Aaron keinen Widerstand gegen diese Rollenzumutung zeigt. Er setzt sich vielmehr an die Spitze der Bewegung, des Rauschs und Triumphs, der Vergötzung des eige-nen Werks, der „Aaronskirche – ohne Gott“. Es kommt, wie es kommen muss, zum Zusam-menstoß zwischen der Aarons- und der Mosekirche am Fuß des Sinais. Mose führt allen den Bruch des 1. Gebots vor Augen, indem er im Zorn die Tafeln zerbricht. „Aber es bleibt nicht beim Bruch. Noch einmal steigt Mose auf den Berg. Diesmal, um für sein Volk zu bitten. Sein Widerstand geht so weit, dass er sich Gottes Sühnehandeln in den Weg stellen und sich selbst zum Opfer bringen will. In seiner Bereitschaft, als Märtyrer fürbittend für sein Volk sein Leben zu lassen, ist Mose Prophet und Priester zugleich.

Bonhoeffer steht in der christlichen Tradition des Verständnisses, das Mose als den Künder des Gesetzes und des Bundes Gottes mit seinem Volk und dessen Anführer bei der Befreiung aus der Sklaverei zum Gegenüber und Vorläufer Jesu erklärt: „Mose konnte die Versöhnung nicht schaffen. Wer schafft hier Versöhnung? Kein anderer als der Priester und Prophet in einem ist der Mann mit dem Purpurmantel und der Dornenkrone, der fürbittend für uns vor Gott steht, der gekreuzigte Sohn des Vaters“ Der Purpurmantel, Symbol für die Herrlichkeit des Priester-tums in Aaronskirche, wird zum verhöhnten Zeichen des Kreuzestods Jesu.

Im christlich-jüdischen Dialog ist für die Verhältnisbestimmung zwischen dem Bund Mose und
der Kirche Christi entscheidend, dass die Kirche sich nicht an die Stelle des ersten Bundes setzt und Israel, das Volk Gottes, nicht enterbt. In der synoptischen Erzählung der Verklärung Jesu (Markus 9-13, Matthäus 17,1-13; Lukas 9,28-36) erscheinen Mose und Elia und reden mit Jesus.

Das Gedicht „Der Tod des Mose“, schrieb Dietrich Bonhoeffer vermutlich, nachdem durch den „Zossener Aktenfund“ vom 22. September 1944 seine Beteiligung an den Attentatsplänen entdeckt worden war. Vom Tod bedroht kommt ihm „Mose, der Mann Gottes und Prophet“, sehr nahe:
„Sinkend, Gott, in Deine Ewigkeiten seh‘ mein Volk ich in die Freiheit schreiten.
Der die Sünde straft und gern vergibt, Gott ich habe dieses Volk geliebt.“

Auch wenn es keinen Beleg dafür gibt, dass Martin Luther King Jr. Dietrich Bonhoeffer gelesen hat („Was Martin Luther King Jr. informed by Dietrich Bonhoeffer?“, Video-clip von Reggie Williams, 2013, https://www.youtube.com/watch?v=K3CuaZL5xhE) erinnert seine Rede vom 28. August 1963 beim ‚Marsch auf Washington‘ „I have a Dream“ an Bonhoeffers Mose „auf dem Gipfel des Gebirges“.

Wie gehören politischer Widerstand und seelische Widerstandskraft zusammen? Was können wir heute aus der Geschichte von Mose und Aaron und Bonhoeffers Auslegung lernen?
Mitten in der Krise warten zu können, standzuhalten, hinzuhören und sich neu am 1. Gebot zu orientieren – das wäre m. E. im Sinn der Mosekirche. Es ist der lange Weg der Befreiung von – nicht durch die Krise geschaffenen, aber durch sie neu sichtbar gewordenen – angeblich alter-nativlosen Bedingungen und ungerechten Strukturen, die solidarisches Leben behindern.

„Auf das Kreuz zeigen wir als die Kirche, die immer Mose- und Aaronskirche zugleich ist, auf das Kreuz zeigen wir und sagen: sieh, Israel, das ist dein Gott, der dich aus der Knechtschaft geführt hat und wieder führen wird. Kommt, glaubt, betet an.“ (Dietrich Bonhoeffer)

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Memorial and Place of Encounter Bonhoeffer-Haus Berlin
www.bonhoeffer-haus-berlin.de

So much strength to resist! Read Bonhoeffer in critical time (11)
Exaudi, May 24, 2020

Since the beginning of May, small groups of up to 5 people can visit the Bonhoeffer House. This corresponds to the state regulations for museums and memorials. In addition, we keep the house “open” through the weekly blogs, in which we put Bonhoeffer texts in the historical and current context for each Sunday through Trinitatis Sunday with the aspect: »How do political resistance and mental strength to resist (resilience) belong together?« In these days, when op-ponents of vaccination, supporters of conspiracy theories and other anti-democrat activists claim the term “resistance” for themselves, it is all the more important–in complete contradic-tion to this–to perceive Bonhoeffer’s life and thinking in resistance as help for strengthening and clarifying.

With warm regards and good wishes
Gottfried Brezger, chairman


EXAUDI: The Church of Aaron against the Church of Moses
– the Eternal Conflict in the Church of Christ


TEXT

DBW 12.472 ff., Sermon on Exodus 32:1-8, 15-16- 18-20-30-35 (The Golden Calf)
May 28, 1933, Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin, on behalf of Gerhard Jacobi

The priest against the prophet, the church of the world against the church of faith, the church of Aaron against the church of Moses – this eternal conflict in the church of Christ and its resolu-tion, is what we are going to hear about today.

Moses and Aaron, two brothers from the same tribe, with the same blood and the same history, went part of the way side by side and then were torn apart – Moses, the first prophet, and Aa-ron, the first priest; Moses, the one called out by God, the one chosen without regard for his person, the man who was slow of tongue, the servant of God who lived only by listening to the word of his Lord; Aaron, the man with the purple robe and the sacred crown, the priest who had been consecrated and sanctified, who was supposed to keep the people worshipping God. And now in our story, we have Moses alone, way up on the terrifying mountain with the living god, between life and death with the thunder and lightning, called to receive the law of God’s cove-nant with God’s people – and down in the valley the Israelites with their priest in his purple robe, making sacrifices but estranged from God.

Why did Moses and Aaron have to go against each other? Why couldn’t they stand side by side and serve God together? Why are the church of Moses and the church of Aaron, the church of the Word and the church of the world, always breaking apart? The answer to this question is found in our text.

Moses is called by God to go up the mountain on behalf of his people. God wants to talk with him up there. The children of Israel know this; they know that Moses is standing up there on their behalf struggling, praying, suffering … But the church of Aaron, the worldly church, can-not wait; it is impatient. Where is Moses anyway? Why doesn’t he come back? We can’t see him anymore. Where is he with his God? “We do not know what has become of him:” Maybe he isn’t there at all anymore – maybe he’s dead …

Surely the church of the Word is once again on Mount Sinai today, and in fear and trembling, amid the thunder and lightning, stands against the Word of God, waiting, believing, praying, struggling – and for whom? For the church of Aaron, for he church down there in the valley, for the church of the world. When the worldly church gets impatient and cannot wait any longer, that is the first step on its collision course with the church of the Word. It was always so and will always be so.

“We don’t know what has become of this Moses. Con on, Aaron, you make us some gods go before us.” That is the second step that follows directly after the first. The church of the world, the church of the priests, wants something it can see. It doesn’t want to wait any longer. It wants to go ahead and do something itself, take action itself, since God and the prophet aren’t doing so. What is the priest there for anyway? What is the church doing there, if it I keeping them waiting?

… It’s really not such a bad request that is being made here; actually, it’s a pious request. They aren’t saying, away with all gods, but rather, we need gods, we need religion, make us some. They aren’t chasing the priest away either, but saying, do your job. Keep the people’s religion alive, give them worship services. They really want to remain a church, with gods and priests and religion, but a church of Aaron – without God.

We hear it said that the masses aren’t so ready to make sacrifices. But those who say so don’t know the world very well! The human race is ready to make any sacrifice that allows it to cele-brate itself, to worship its own accomplishments. The worldly church, the church of Aaron, is ready for any sacrifice it it can make its own god. Before the god that we have fashioned as it pleases us, the human race and the worldly church are happy to smile and kneel down. It is God who finds few prepared to sacrifice … Everything must be spent on making the idol more glorious, so they all throw in whatever they can and want, each according to his or her own ideals, into the melting pot. Then the frenzy begins; the worldly church celebrates its triumph. The priest has demonstrated his power, so there he stands in the middle in his purple robe and [with] his sacred crown, worshipping the work of his own hands ∙∙∙ and all around the people blissfully fall down and gaze at the idol they have created by their own might and from their own sacrifices. Who would stand aside from this pious jubilation, this dizziness beyond com-pare, this great deed accomplished by human will and ability? Now the worldly has its god ∙∙∙ so come and sacrifice to it.; be happy and play, eat, drink, dance, rejoice, get excited! You have a do again ∙∙∙ These, Israel, are the gods who brought you up out of slavery. Come and see, and worship!

But there is rumbling on Sinai. God is showing Moses his faithless people. And Moses trembles for his people and hastily climbs down the mountain…. Then he is standing among them, the unexpected prophet, brandishing high in his hands the tablets of the law, so that everyone must see the writing engraved on them by the hand of God: “I am the Lord your God, you shall have no other gods before me!” The worldly church is struck dumb with fear and horror at the sight; the frenzy is over – the living God has appeared in the midst of it and overwhelmed it. Then, in one incomparable and terrifying moment, the tablets of the law lie shattered next to the idola-trous image, and the idol itself is shattered and burnt up. That is the end of the worldly church, and it is God who has done it. God is still the Lord. Lord, have mercy ∙∙∙

Priestly church and church of the Word, church of Aaron and church of Moses – this historic colli-sion at the foot of Mount Sinai, the end of the worldly church and the appearance of the Word of God, is repeated in or church day after day, Sunday after Sunday. As the worldly church, which doesn’t want to wait, which don’t want to live by something unseen; as a church that makes its own gods, that wants to have a god that pleases it rather than asking whether it is itself pleasing to God; ass a church that wants to do for itself whatever God does not do; as a church that is ready to make any sacrifice for the sake of idolatry, the glorification of human ideas and values – as a church which presumes divine authority for itself through its priesthood – it is such a church that we come again and again to worship. And it is as a church whose idol lies shattered to pieces on the floor, as a church that has to hear anew, “I am the Lord your God” ∙∙∙ a a church that is struck by this word – it is as the church of Moses, the church of the Word, that we should depart from one another .

But the matter did not end in brokenness. Once again Moses climbed the mountain. This time it was in order to pray for his people. He offered himself as a sacrifice ∙∙∙ Moses could not bring about reconciliation. Who will bring about reconciliation here? None other than he who is both priest and prophet, the man in the purple cloak and the crown of thorns who stands before God and makes intercession for us, the crucified Son of the Father.
Here on is cross, all idolatry comes to an end. Here the whole human race, the whole church, is judged and pardoned. Here, God is wholly God, who does not tolerate any other gods but himself, but who is also wholly God in boundless forgiveness. We point to the cross as the church that is always both church of Moses and church of Aaron; we point to the cross and say: “See, O Israel, that is your God who brought you up out of slavery, and who will lead you again. Come, believe and worship. Amen.

CONTEXT

In his interpretation of the biblical story of the „golden calf“, Dietrich Bonhoeffer – without nam-ing parties, programs and names – fundamentally and currently opposes the idolization of hu-man thoughts and values. How early and clearly he recognized the danger to the Church and the world, while others still saw the frenzy and triumph of the National Socialist Revolution as an opportunity for the realization of a ‚pious request’, is evident by his sermon on May 24, 1933 in Berlin Kaiser Wilhelm Memorial Church.

What had happened already in politics and in the church since the handover of power to the Chancellor Adolf Hitler on January 30?

Hitler used the staged euphoria („social revolution“, national ‚liberation‘ from the Versailles Trea-ty, religious elevation in the „melting pot“ of national enthusiasm) to force the speed in the spring of 1933 when the NSDAP converted the state of the Weimar Reich constitution into a terrorist state. What had happened up to that point ,beat by beat’?

  • February 1/8, Dissolution of the Reichstag and the municipal assemblies in Prussia
  • February 4, Ban on political meetings („Ordinance for the Protection of the German People“)
  • February 22, SS and SA members are appointed armed auxiliary police officers
  • February 28, Abolition of basic democratic rights by the ‘Reichstag fire ordinance’
  • March 11, Establishment of the Reich Ministry for ‘Popular Enlightenment and Propaganda’
  • March 20, Establishment of the 1st concentration camp in Dachau
  • March 21, ‘Day of Potsdam’, opening of the Reichstag after the national election of March 12
  • March 24, Reichstag elimination through the “Enabling Act”
  • March 23, „Heimtückegesetz“ (Ordinance of the Reich President against treachery)
  • April 1 Boycott of Jewish shops and institutions
  • April 7, ‘Law to keep professional civil servants clean’ with the ‘Aryan paragraph’
  • April 26, Foundation of the Gestapo
  • May 1, National Socialist staging on May 1st at Tempelhofer Feld
  • May 2, Union busted
  • May 6, Dismissal of Jewish honorary professors and notaries
  • May 10, Book burning

The National Socialist strategy was based on manipulation of the public media, destruction of solidarity, intimidation, imprisonment and murder and the propagation of the ‘national communi-ty’ (‘Volksgemeinschaft’) with the exclusion of those persecuted by racial ideology. Provocation and breaking the law served as a test; if there was no protest, the laws were converted in the sense of National Socialist politics. There was no protest from leading church leaders. The Up-per Church Council of the Evangelical Church of the Old Prussian Union declared on April 11 in the Easter message: „With all Protestant fellow believers we know one thing in the joy of the deepest strength of our nation to the patriotic awareness of genuine national community and religious renewal.“ The tables of the Ten Commandments were not broken, as was done by Moses, but remained intact.

„Who would stand aside from this pious jubilation, this dizziness beyond compare, this great deed accomplished by human will and ability?

During this time, the representatives of the churches were concerned with themselves, the Catholic Church with the negotiations for the Reich Concordat (signed on July 20, 1933), the Evangelical Church with the defense against the forced alignment (‘Gleichschaltung’) of the „German Christians“. At their Reichstagung on 3./4. April the ‘German Christians’ called for the adoption of the Fuhrer principle, the ‘Aryan paragraph’ and the elimination of the regional churches and denominational diversity by creating the ‘Reich Church’ (‘Reichskirche’).

With the intention of not letting the law of action be taken out of hand, the governing bodies of the Evangelical Church worked to regulate the cooperation between the regional churches and denominations in the church alliance with the constitution of the ‘Reich Church’. In addition to internal church struggle the church’s right to self-determination was damaged by state com-missioners and Hitler’s appointing Ludwig Müller as his representative for the affairs of the Evangelical Church.
The ‘Young Reformation Movement’ that formed in confrontation with the ‘German Christians’ on May 9, campaigned against Müller for Friedrich v. Bodelschwingh as the first Reich Bishop. On May 27, his designation was carried out by the majority of representatives of the regional churches.

Already a month before Karl Barth’s wake-up call „Theological Existence Today!“ (June 25, 1933, published on July 1, 1933), which calls for the return from church political activism to spiritual reflection („Theology and only theology to do“), Dietrich Bonhoeffer speaks in his Ex-audi sermon (see above) about the „eternal conflict“ „of the Aaronskirche against Mosekirche“, whereby it can be assumed that he focuses on the actual conflict between the „Weltkirche“ against the „Church of Faith“ (may be also in Kaiser Wilhelm Memorial Church).

With a sociological view, Bonhoeffer describes the division of roles between the two brothers: “Moses, the first prophet, and Aaron, the first priest; Moses, the one called out by God, the one chosen without regard for his person, the man who was slow of tongue, the servant of God who lived only by listening to the word of his Lord; Aaron, the man with the purple robe and the sacred crown, the priest who had been consecrated and sanctified, who was supposed to keep the people worshipping „

Strange that Aaron shows no resistance to this role imposition. Rather, he is at the forefront of movement, frenzy and triumph, the glorification of his own work, the „Aaron’s Church – without God“. As it has to come, there is a collision between the Aaron’s and Moses Church at the foot of the Sinai. Moses makes everyone aware of the breach of the first commandment by break-ing the boards in anger. “But the matter did not end in brokenness. Once again Moses climbed the mountain. This time it was in order to pray for his people.” His resistance goes so far that he wants to prevent God from his punishment; instead of this he offers himself as a sacrifice. In his willingness to intercede for his people as a martyr, Moses is both a prophet and a priest.

Bonhoeffer is in the Christian tradition of understanding, which Moses, as the representative of the law and covenant of God with his people and his leader in the liberation from slavery, de-clares to be Jesus‘ counterpart and forerunner: “Moses could not bring about reconciliation. Who will bring about reconciliation here? None other than he who is both priest and prophet, the man in the purple cloak and the crown of thorns who stands before God and makes interces-sion for us, the crucified Son of the Father.”

In the Christian-Jewish dialogue, it is the crucial point for the relationship between the covenant of Moses and the Church of Christ that the Church does not replace and disinherit the first covenant. In the synoptic narrative of the Transfiguration of Jesus (Mark 9-13, Matthew 17: 1-13; Luke 9: 28-36), Moses and Elijah appear and speak to Jesus.

Dietrich Bonhoeffer probably wrote the poem „The Death of Moses“ after his involvement in the assassination plans had been discovered on September 22, 1944, by the ‘Zossen File Find“. Threatened by death, “the prophet Moses, man of God” comes very close to him:
„They stride into freedom, God, I see, as I sink to your eternity.“ (DBW volume 8,540)

Even if there is no evidence that Martin Luther King Jr. read Dietrich Bonhoeffer („What Martin Luther King Jr. informed by Dietrich Bonhoeffer?“, Video clip by Reggie Willi-ams, 2013, https: // www. youtube.com/watch?v=K3CuaZL5xhE) King’s speech “I have a Dream”, during the ‘March on Washington’ on August 28, 1963, reminds of Bonhoeffer’s Moses “on the mountain peak”.

How do political resistance and mental strength to resist (resilience) belong together? What can we learn today from the story of Moses and Aaron and Bonhoeffer’s interpretation? To be able to wait in the middle of the crisis, to stand, to listen and to re-orientate on the first command-ment – that would be in my opinion in the sense of Moses church. It is the long road to liberation from unjust relationships and structures. As the current crisis shows, dependencies that de-structs solidarity are dangerous but not without alternatives.

We point to the cross as the church that is always both church of Moses and church of Aaron; we point to the cross and say: “See, O Israel, that is your God who brought you up out of slav-ery, and who will lead you again.”

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